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Blind auf Instagram: Jennifer Sonntag zeigt, dass es geht

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren sitzt in einem Ledersessel. Auf ihren Oberschenkeln stehen zwei Pumps, ein schwarzer und ein roter.
Auf Instagram gewährt Jennifer Sonntag ihren Followern auch sehr persönliche Einblicke und erzählt beispielsweise, wie sie bei Dreharbeiten mit zwei verschiedenen Schuhen aufgekreuzt ist. Fotos: Jennifer Sonntag

Für die blinde Fernsehmoderatorin und Buchautorin gilt: Nur wer mitmacht, kann auch etwas verändern. Seit einigen Monaten ist die Inklusionsaktivistin auch in den Sozialen Medien unterwegs.

Medienscheu ist Jennifer Sonntag sicher nicht. Acht Bücher hat die studierte Sozialpädagogin geschrieben. Seit zwölf Jahren steht sie für den Mitteldeutschen Rundfunk in der Sendung „Selbstbestimmt“ vor der Kamera. Dennoch waren die Sozialen Medien für sie lange Zeit tabu. „Ich hatte Angst vor dem Kontrollverlust“, erzählt sie im Telefoninterview. Schließlich braucht es nur einen Klick und schon ist ein Bild im Netz, das dort niemals landen sollte. Jeder kennt diese Sorge. Doch Jennifer Sonntag ist blind. Sie kann die Fotos, die sie in den Sozialen Medien veröffentlicht, selbst nicht sehen.

Inzwischen ist sie bei Facebook und Instagram

Trotzdem wagte sie mit Anfang 40 den Schritt. Im Oktober 2019 meldete sie sich bei Facebook an. Auch in dem noch bildintensiveren Netzwerk Instagram hat sie einen Account. Während der Buchautorin das Formulieren der Texte leichtfällt, sind die Fotos und Videos mit viel Aufwand verbunden. Doch Jennifer Sonntag ist davon überzeugt: „Sehende Menschen brauchen Bilder.“

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren riecht an einem blühenden Fliederbusch. Sie hat die Augen geschlossen.
Die Fotos tragen ihre Handschrift, die Motive entstehen in ihrem Kopf.

An der Entstehung dieser Bilder ist sie alles andere als unbeteiligt. Die Fotos und Videos tragen ihre Handschrift. „Ich denke mir die Bildmotive aus“, erklärt sie. Für die Umsetzung braucht sie aber Hilfe. „Ich möchte niemandem vorspielen, dass ich als vollblinde Frau Instagram alleine mache“, betont sie.

Jennifer Sonntag wäre allerdings nicht Jennifer Sonntag, wenn sie nicht auch hier versuchen würde, das Maximum an Selbstbestimmung zu erlangen. Empowerment ist ihr Thema, auch wenn es um die Sozialen Medien geht. „Mein Ziel ist, dass ich die Fotos irgendwann selber mache“, sagt sie. Aktuell probiert sie das mit einem Stativ aus. Ohne einen letzten prüfenden Blick von einer sehenden Vertrauensperson geht aber kein Bild online.

Das Cover des Buches "Der Geschmack von Lippenrot"
Jennifer Sonntag hat einen Schminkratgeber für blinde Frauen geschrieben.

Jennifer Sonntag nutzt die Sozialen Medien, um sich mit anderen Aktivist*innen zu vernetzen. Sie will Vorurteile abbauen und gibt Tipps, welche Hilfsmittel für sie im Alltag nützlich sind. Gerade auf Instagram gewährt sie auch sehr persönliche Einblicke, etwa wenn es um ihre Beiträge rund um Mode und Styling geht. Sie erzählt, wie sie bei Dreharbeiten mit zwei verschiedenen Schuhen aufgekreuzt ist, nimmt ihre Follower mit zur Maniküre und fragt sie nach ihrer Meinung zu diesem oder jenem modischen Accessoire. Blinde Weiblichkeit ist für sie ein wichtiges Thema. Sie hat einen Ratgeber „Der Geschmack von Lippenrot“ für blinde Frauen geschrieben, der neben einer Kosmetikkunde auch eine Schminkschule und eine Anleitung in Sachen Stil und Outfit beinhaltet. Auf Instagram kann sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen nun ebenfalls weitergeben.

Soziale Medien schaffen neue Möglichkeiten aber auch Barrieren

Trotz des anfänglichen Zögerns ist Jennifer Sonntag davon überzeugt, dass die Sozialen Medien für Menschen mit Behinderung viele Chancen bieten. „Manchmal finden wir uns im Mainstream nicht wieder“, sagt sie. Auf Facebook und Co. können Menschen mit Behinderung selbst Themen platzieren und sichtbar werden. Gleichzeitig schaffen die Netzwerke und andere digitale Angebote auch die Möglichkeit, beispielsweise mit Hilfe eines Livestreams an Veranstaltungen teilzunehmen, ohne vor Ort zu sein. Mobilität ist für Menschen mit Behinderung oft eine Barriere – das gilt auch für Jennifer Sonntag. Sie wird regelmäßig als Expertin für Diskussionsrunden und Vorträge angefragt, aufgrund ihrer Erblindung und weiterer Erkrankungen kann sie aber nicht ständig durch Deutschland reisen.

Eine Frau mit lange schwarzen Haaren liegt auf einer rosafarbenen Decke. Sie trägt eine rote Sonnenbrille. Vor ihr liegt ein großer schwarzer Hund.
Auch ein Thema auf Instagram: die Arbeit mit Blindenführhund Paul.

Durch die rosarote Brille sieht die Inklusionsaktivistin die Sozialen Medien allerdings nicht. An vielen Stellen mangele es an Barrierefreiheit. Zwar können die Nutzer*innen sowohl auf Facebook als auch auf Instagram ihre Fotos mit Alternativtexten, also mit Bildbeschreibungen für blinde und sehbehinderte Menschen, versehen. Doch nur wenige machen von dieser Option Gebrauch.

„Vieles funktioniert auch noch nicht“, sagt Jennifer Sonntag. So könne sie mit ihrem Screenreader beispielsweise nicht die Beschreibungen der Videos auf Instagram auslesen. Plattform-Betreiber, Hilfsmittel-Hersteller und Nutzer*innen seien hier gleichermaßen gefordert.

Die eingeschränkte Barrierefreiheit ist für Jennifer Sonntag jedoch kein Grund, Facebook und Co. nach der kurzen Testphase schon wieder den Rücken zu kehren. Im Gegenteil: Sie ist davon überzeugt, dass sich nur dann etwas verändert, wenn sich Menschen mit Behinderung aktiv einbringen und selbst mitgestalten. So hält sie es seit vielen Jahren mit dem Fernsehen und nun auch mit den Sozialen Medien.

Wie fügt man einem Foto auf Facebook einen Alternativtext hinzu?

Facebook erstellt für hochgeladene Fotos automatisch einen Alternativtest. Dieser ist aber sehr kurz und besteht oft nur aus Stichworten. Deshalb macht es Sinn, dass Facebook-Nutzer*innen diesen Text durch eine eigene Bildbeschreibung ersetzen. Dieser Alternativtext wird blinden oder sehbehinderten Menschen dann von ihren Hilfsprogrammen vorgelesen.

So kann man den Alternativtext für ein Foto vor dem Posten bearbeiten:

  • Im News Feed auf Foto/Video klicken
  • Das Foto, das hinzugefügt werden soll, auswählen
  • Auf „Foto bearbeiten“ klicken und dann auf Alternativtext
  • Der automatisch erstellte Text wird links vom Foto angezeigt
  • Auf „erstellten Alternativtext überschreiben“ klicken
  • Den neuen Alternativtext in das Feld eingeben
  • Unten rechts auf Speichern klicken

So kann man den Alternativtext eines Fotos, das bereits gepostet wurde, ändern:

  • Das Foto anklicken, um es zu öffnen
  • Unten rechts auf Optionen klicken und „Alternativtext ändern“ auswählen
  • Auf „erstellten Alternativtext überschreiben“ klicken und den vorhandenen Text im Textfeld ändern
  • Speichern